Aus den Kopfhörern dröhnt das Nachtkonzert eines deutschen Radiosenders. Disharmonisch, postmodern, ja gar avant-gardistisch mutet das gerade gesendete Stück an. Es passt, irgendwie. Ich habe den Sender schon ewig nicht mehr gehört. Die Liste der Hörspiele für den Winter habe ich mir ausgedruckt, aber eingeschaltet habe ich bisher noch für keines. Das Leben läuft weiter, läuft an mir vorbei, ignoriert mich. Es dreht sich nicht einmal mehr um.
Das Stück ist von einer Norwegerin komponiert. Den Namen habe ich nicht verstanden. Als der Moderator das Lied ankündigte und das Wort Norwegen fiel, habe ich nicht mehr zugehört. Zuviele Bilder gibt es in meinem Kopf von diesem Land in dem ich noch nie war aber für das ich voller Bewunderung bin. Ich weiss noch nicht einmal warum Skandinavien mich so reizt. Die alte traditionsreiche Kultur? Die fortschrittlichen Gesellschaftsformen? Die atemberaubenden Landschaften, unberührt von unserer alles zerstörenden zentraleuropäischen Gesellschaft? Die Musik, die in jedem Genre so klingt, als könnte Musik selbst heute noch etwas Neues bieten, originell sein. Ich habe gestern Mittag sogar schwedischen Hip Hop gehört. Ich höre nie Hip Hop – ausser zwei Will Smith CDs die ich seit Jahren nicht mehr in die Stereoanlage eingelegt habe gibt es keinen Hip Hop in meiner Sammlung. Aber schwedischer Hip Hop redet nicht von nackten unterwürfigen Frauen. Zumindest nicht der, den ich gestern gehört habe. Es würde mich aber wundern.
Ich brauche einen Plattenspieler. Jedesmal wenn ich in den Plattenladen gehe wurde die Ecke mit den Schallplatten wieder etwas weiter ausgebaut. Was ist das Besondere an Vinyl? Ich weiss es nicht. Ich will es aber wissen. Von Retro geht ein gewisser Reiz aus. Auch wenn die Mode grauenhaft ist. Warum Menschen nach zwanzig Jahren mehr oder minder guten Modegeschmacks plötzlich wieder freiwillig mit diesen Sonnenbrillen umherlaufen, die ihr Gesicht vom Haaransatz bis zum Kinn verdecken, wird mir auf ewig ein Rätsel sein. Aber womöglich ist das bloß, um Sonnencrème für’s Gesicht zu sparen.
Ich sollte schlafen. Noch knapp fünf Stunden bleiben mir, bis ich wieder aufstehen und zur Uni muss. Es wäre mir ja egal, wenn ich verschlafen würde, aber dafür ist dieser Kurs zu gut. Und ich hasse es, eine Aufgabe umsonst zu schreiben. Letzten Freitag im Zug habe ich das Gedicht für den Kurs heute geschrieben. Wirre Gedanken rannten mir da durch den Kopf. Letzte Woche habe ich ein Gedicht über ein Mädchen aus Salzburg vorgelesen. Ich glaube, der Professor hat es nicht verstanden. Er kennt das Mädchen, und er hat nicht drauf reagiert. Ich glaube ich habe es nur vorgelesen, um zu testen ob er es merken würde.
Die Musik ist vorbei. Irgendwer liest die Nachrichten. Bruchstücke einer Welt von der ich kein Teil mehr bin. Vielleicht war ich nie einer. Ich kann das Leben noch nicht einmal mehr sehen.
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